2010 und 2011 haben wir eine Testserie mit Dialogen in verschiedenen Onlineformaten gemacht. Damals haben wir Vitero genutzt, eine deutsche Softwareplattform, die bereits Breakout-Rooms anbot. Noch unter der Firmierung 'Institut für Stakeholder-Dialog' erschien im März 2011 die Zusammenfassung der Ergebnisse als Whitepaper. Aus aktuellem Anlass lohnt vielleicht noch einmal ein Blick hinein. Insgesamt sieben Formate des virtuellen Dialogs, die auch heute noch relevant sind, werden kurz behandelt. Während die Formate noch gültig sind, haben sich die genannten Werkzeuge weiter entwickelt. Im folgenden ein Auszug aus dem Originaltext von 2011.
Selbst so interaktive Großgruppenformate wie World Café und Open Space lassen sich mittlerweile virtuell durchführen. Dabei wird das Prinzip der Aufteilung einer Großgruppe in Kleingruppen online nachgebildet. Die zu bearbeitenden Fragen können dabei bereits vorformuliert sein, wie bei einem World Café, oder erst zu Beginn der Sitzung in der Gesamtgruppe entwickelt werden, wie bei einem Open Space. Nach einer Begrüßung und Einführung kön- nen die Teilnehmer frei zwischen den Kleingruppen wechseln. Kommt die Gesamtgruppe anschließend wieder zusammen, präsentieren die Kleingruppen ihre Ergebnisse allen Teilnehmern. Da alle schriftlichen Vorschläge und Ideen gespeichert werden, können die Teilnehmer schon zum Ende der Sitzung mit dem Protokoll versorgt werden.
Der virtuelle Raum kann eine Brücke zwischen räumlich getrennten Gruppen schlagen. Ausgerüstet mit Beamer, Webcam, Mikrofon und Lautsprecherboxen können die Gruppen unter- einander kommunizieren. In Kombination mit einer Moderation der lokalen Präsenzveranstaltungen lassen sich Fragestellungen parallel oder verteilt bearbeiten. Jede Gruppe kann ihre Arbeitsergebnisse allen Gruppen übermitteln. So kann ein dynamischer Prozess mit sehr vielen Teilnehmern hergestellt werden. Mit diesem Format lässt sich auch ein Dialog zwischen Entscheidern und Stakeholdern über die Bedürfnisse und Ideen an verschiedenen Standorten organisieren.
Eine Schlichtung wie die zu Stuttgart21 lässt sich auch online organisieren. Die Teilnehmer des "Podiums" (innerer Kreis) können Präsentationen einsetzen und gegenseitig kommentieren. Sie können aber auch gemeinsam Ideen entwickeln und diese bewerten oder sich im Format des "Circle" miteinander austauschen. Mehrere hundert Zuschauer (äußerer Kreis) können die Diskussion online verfolgen. Während bei Stuttgart 21 das Publikum die Schlichtung nur passiv beobachten konnte, kann es in der virtuellen Variante auch einbezogen werden. Dazu übermittelt ein Ko-Moderator die via Telefon oder Email eingehenden Fragen und Kommentare "auf das Podium". So kann ein Höchstmaß an Transparenz und Beteiligung hergestellt werden.
Ein mittlerweile weit verbreitetes Beispiel für asynchrone Anwendungen sind die zahlreichen Online-Bürgerhaushalte. Andere Anwendungsbeispiele sind das Bürgerforum 2011 und die Beteiligung an der "Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft". Das Grundraster in diesen Beispielen ist weitgehend identisch: Zu vorher definierten Themen können Bürger ihre Ideen und Vorschläge einstellen, diese werden von anderen kommentiert und ergänzt und über Stimmabgaben gewichtet. Ähnliche Verfahren werden von Unternehmen zur Kommunikation mit Kunden eingesetzt, beispielsweise bei der Entwicklung neuer Produkte. Für sich alleine bewirken ansynchrone Methoden in der Regel keinen Dialog. Ohne weitere Unterstützung bleiben die verschiedenen Meinungen meist unverbunden nebeneinander stehen, ohne zu neuen Erkenntnissen zu führen.
Townhall-Meetings sind Offline-Veranstaltungen wie Bürgerversammlungen oder große öffentliche Anhörungen, in denen das Auditorium in viele Kleingruppen aufgeteilt wird. Jede Kleingruppe protokolliert ihre Ergebnisse mit einem Notebook oder iPad. Die Arbeitsergebnisse der Gruppen werden fortlaufend an ein im Raum befindliches Redaktionsteam übermittelt. Das Redaktionsteam sichtet und clustert die Ergebnisse und macht sie in Intervallen via Großbildprojektion allen Anwesenden im Saal sichtbar. So können in mehreren Phasen Fragestellungen vertieft, Lösungen erarbeitet und final direkt abgestimmt werden. Mehrere hundert oder gar tausend in Kleingruppen aufgeteilte Teilnehmer lassen sich auf diese Weise interaktiv miteinander vernetzen. Da die Ergebnisse online zur Verfügung stehen, kann in einem zweiten Schritt ohne zusätzlichen Aufwand eine Phase der asynchronen Bearbeitung anschließen, die weitere Stakeholder in den Prozess einbezieht.