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Die "Felduntersuchung":

Licht und Schatten eines Systems in den Raum bringen

· Methoden
Der Anlass war herausfordernd: Ein Tag stand zur Verfügung, um mit 25 Verbandsmitgliedern, die nur selten zusammen kamen, ein gemeinsames Bild der Situation und eine Strategie für notwendige Veränderungen zu entwickeln. Von vornherein war klar, dass die aktuellen Herausforderungen lang gültige Strukturen infrage stellen und allen Teilnehmern hohe Veränderungsbereitschaft abverlangen würden.

Als erstes musste daher in möglichst kurzer Zeit ein gemeinsames Bild der Situation entwickelt werden. Stärken wie Schwächen der Struktur mussten gleichermaßen sichtbar werden. Das von mir dafür entwickelte Format, die "Felduntersuchung", legte dazu den Grundstein: In weniger als zwei Stunden gelang eine gemeinsame Situationsanalyse, auf der die weiteren Prozessschritte an diesem Tag aufbauten. Seitdem habe ich die "Felduntersuchung" in vergleichbaren Situationen immer wieder mit sehr guten Ergebnissen eingesetzt.

Ablauf

1. Die Herausforderung "rahmen" und den Ablauf vorstellen (wie in den nächsten Punkten beschrieben)

2. Die Einzelarbeit:
Die Teilnehmer*innen verteilen sich an die Tische und notieren in Stille jede/r für sich die aufkommenden Gedanken (einen pro Post-it) und sammeln diese vor sich in zwei Stapeln: Einen für die Stärken und einen für die Schwächen und Herausforderungen. Das braucht etwa 10 Minuten.
3. Austausch an den Tischen:
Nun beginnt ein Teilnehmer und stellt seine Gedanken nacheinander kurz vor und klebt jedes Post-it in das aufgemalte Rechteck (wenn es eine Stärke oder Ressource beschreibt) oder außerhalb des Rechtecks (wenn es eine Schwäche bzw. Herausforderung beschreibt). Hat eine andere Teilnehmerin einen ähnlichen Gedanken, ruft sie „Bingo!“ und klebt ihr Post-it direkt dazu. Nach und nach fühlt sich so der Flipchart-Bogen und Cluster werden sichtbar. Dazu sind etwa 30 Minuten einzuplanen.
4. Reflexion an den Tischen:
Welche Cluster und zentralen Gedanken wollen wir der Gesamtgruppe sichtbar machen? 10 Minuten reichen dafür in der Regel.
5. Das Bild der Gesamtgruppe entwickeln:
Nach und nach stellt ein*e Teilnehmer*in jeder Tischgruppe nun ihre wichtigsten Cluster und Einsichten der Gesamtgruppe vor und klebt sie an die zentrale Wand oder Pinnwand. Wieder werden Stärken und Ressourcen innerhalb des Rechtecks und Schwächen und Herausforderungen außerhalb angeklebt. Und wieder können andere Tischgruppen ähnliche Einsichten mit dem „Bingo!“-Ruf hörbar machen und ihre Post-it direkt dazu kleben. So werden die großen Cluster der Gesamtgruppe erkennbar. Dieser Schritt braucht je nach Gruppengröße 15 bis 25 Minuten.
6. Pause:
Das Auftraggeber-Team oder zwei bis drei Teilnehmer*innen sichten mit der Moderation die Ergebnisse. Mögliche Fragen sind: Was fällt auf? Wie stehen die Cluster in Beziehung? Nach welchen nächsten Schritten rufen diese Einsichten? Wo sind die Hebelpunkte?

7. Zusammenfassung für die Gesamtgruppe:

Die Teilnehmer*innen der Pausen-Reflexion präsentieren ihre Einsichten und unterbreiten einen Vorschlag für die nächsten Etappen. Beides wird von der Gesamtgruppe reflektiert und ergänzt. Dafür sind noch einmal 5 bis 15 Minuten anzusetzen.

Material

  • Pro Teilnehmer*in etwa 30 Post-it (Post-it im Format 76x127 mm sind empfehlenswert), optional können zwei Farben eingesetzt werden, um Licht und Schatten optisch schneller zu differenzieren
  • Pro Teilnehmer*in ein Moderationsmarker
  • Pro 4-5 Teilnehmer*innen ein Tisch
  • Pro Tisch jeweils ein Flipchartbogen. Auf jeden Bogen wird ein Rechteck aufgemalt, das an allen Seiten etwa 15 - 20 cm vom Papierrand entfernt ist.
  • Eine Pinnwand oder eine Wand, die von allen Tischen gut sichtbar ist. Auf diese Wand wird ein größeres Rechteck gemalt oder per Tesakrepp aufgeklebt.

Anwendungsmöglichkeiten

Die "Felduntersuchung" bietet sich für Situationen an, in denen ein gemeinsames Bild der Differenzen, Probleme und Herausforderungen für alle Beteiligten sichtbar werden soll. Dadurch, dass auch die Stärken und Ressourcen beleuchtet werden, bleibt das Bewährte und Bewahrenswerte im Bild. In der Regel setze ich die „Felduntersuchung“ zu Beginn eines Prozesses ein. In dem eingangs erwähnten Beispiel des eintägigen Workshops haben wir anschließend für das identifizierte Hauptproblem mit Dynamic Facilitation eine Lösung erarbeitet. Für weitere Teilthemen wurden dann noch in einem "World Café" ähnlichen ideen entwickelt.

Gruppengröße

Nach den bisherigen Erfahrungen eignet sich die hier beschriebene "Felduntersuchung" für Gruppen zwischen 10 bis 30 Teilnehmern. Bei deutlich größeren Gruppen kann der Zeitaufwand für die Herstellung des Gesamtbildes die Aufmerksamkeit der Teilnehmer überstrapazieren. Dafür müsste dann eine andere Lösung gefunden werden.