Ein Privileg unserer Arbeit als Facilitatoren ist, dass wir uns in der Haltung der Allparteilichkeit üben können. Es braucht Disziplin und Übung, weil wir natürlich auch zu allem Möglichen eine Meinung haben. Aber in der Übung, die eigene Meinung zurückzustellen und den Raum für alle Sichtweisen - auch die fremden und kontroversen - zu öffnen, wartet ein Geschenk: Die Erkenntnis, dass die divergierende Sichtweisen gemeinsam auf ein umfassenderes Bild einzahlen. Immer wieder erlebe ich, dass ich dann selbst bereichert werde und meine „Meinung“ und meine Sicht sich weiten.
Als Facilitatoren erleben wir, dass diese Erfahrung auch in großen Gruppen und bei kontroversen Themen möglich ist. Gelingt es, einen Raum zu schaffen, der alle hörbar macht, können die Beteiligten vom schnellen Denken in Stereotypen, dem System1-Denken, zum langsameren und differenzierteren System2-Denken wechseln. Bessere Lösungen, die mehr Rückhalt haben, werden dann möglich.
Polarisierung überwinden
Bessere Lösungen, mit mehr Rückhalt sind es, die wir so dringend brauchen, um die Polarisierung zu überwinden und um bei existenziellen Fragen in kluges Handeln zu kommen. Wie beispielsweise bei der Klimapolitik. In dem Beitrag „Der gordische Knoten von Klima und Demokratie” für den Newsletter des Netzwerk Bürgerbeteiligung versuche ich darzulegen, dass ein Durchbruch in der Klimapolitik am ehesten von einem ausgelosten Bürgerrat zu erwarten ist. Wir Bürger:innen können das.
Das gilt auch für andere Politikfelder. Es wäre legitimer und wahrscheinlich auch effizienter, wenn die überfällige Neuordnung der Wahlkreise durch ausgeloste Bürger:innen ausgearbeitet würde. Selbst bei der von Handlungsdruck getriebenen Coronakrise könnten ausgeloste Bürger:innen eine wichtige Rolle bei der Zeilbestimmung und beim Monitoring spielen, die die Akzeptanz und Glaubwürdigkeit der Maßnahmen stark erhöhen würde.
Die Gedanken wären jeweils ähnlich wie in dem Beitrag „Der gordische Knoten von Klima und Demokratie”, den Sie hier herunterladen können.